Ahnherr auf dem Gleiberg a.U. 166

Ihr Ritter, Freunde, Sassen, hört mich an:
Begraben bin ich und nicht gern hier oben.
Doch sagt man euch, dass euer Ahnherr kommt.
Und war’s gekündet, muss es auch gescheh‘n.
So sei’s: Willkommen denn! Seid mir zu Gast
Und labt und atzt, was euer Magen fasst.

Nun, da das helle Licht mein altes Aug‘,
Nicht länger blendt, nach langer Dunkelheit, 
Seh‘ ich, nach Unfug steht euch heut‘ Sinn:
Nur altes Volk sitzt da in diesen Saale,
Dienstboten wohl die ihr verkleidet habt,
Mit dicken Bäuchen und auf schwachen Beinen,
Kaschiert durch ritterlich Gewand und Rock
Mit buntem Tuch, des Halses Falten deckend.
Den Ahnherrn foppen, war wohl euch im Sinn,
Ihn glauben tun, die Welt wär‘ aus den Fugen
Wo Greise noch zum Kampf die Schwerter zieh’n
Und sich dem Gegner im Duelle stellen.
Ein guter Scherz, ich habe sehr gelacht,
Mich eures munt‘ren Schabernacks erfreut.
Doch lasst uns nun zum Ernst des Abends schreiten.,
Ich weiß, die Ritter stehen vor der Türe
Und machen sich den großen Spaß daraus,
Wenn ich das ganze wirklich glauben soll.
Ihr Kerl, der dort erhöht und wohl der Meister.
Das Volk schick fort und lass die Ritter ein.

Fungierender 
‚s scheint euch der Blick getrübt von dunkler Gruft
Seht, stolze Ritter hier im Saale sitzen.
Mit Farben alter Burg zu Glanz verhelfen
und hier das Fest nach Tradition bestreiten.

Fürwahr, bin solche Reden nicht gewöhnt,
Sie scheinen Teil der neuen Zeit zu sein.
Und – ‚s ist wohl so: das sind die Rittersleut‘
Die diesem Reych Gesicht und Prägung geben.
Nun denn! Wie ist’s in einem greisen Reych?
In dem der Ahnherr sunders alt nicht scheint?
Ist dort noch Feuer? Ist da noch Bemüh’n?
Das Elend lässt zu hohen Jahren kommen
Und wer ertrüg‘ der Sippung lange Dauer,
Des Thrones Willkür, der Beambten Last,
Verschmähte Titul, nicht gegeb‘ne Orden,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte?
Ja, viele tun‘s, rührn keinen Finger mehr
Und stöhnen trotzdem unter all der Müh 
Die ein Besuch der Sippung ursacht stets.
Ist das das Ritterspiel, ihr alten Leut‘,
An dem sich Alt und Jung stets neu erfreut?

Ich weiß, es sitzt ein Greis von acht Jahrzehnten
Auf eurem Thron, sein Gnadenbrot verzehrend.
Wo ist er denn? Seh‘ Hägar nicht am Platze!
Erschöpft von eines langen Einritts Mü‘n
Und der Begrüßung vieler Rittersleut.
Braucht er vermutlich Pause, ruht sich aus
Und lässt Kamillentee vom Styxe reichen.
Käm‘ besser zu mir in die Gruft herab
Um fortan die im Saale zu begrüßen
Wär‘ so mein Stellvetreter, immerzu,
Und ich hätt‘ endlich meine liebe Ruh‘.

Ach, Jugend ruft! Gebt frisches Blut dem Reyche,
Setzt sie in Würden und in hohe Ämbter
Auch wenn sie – wie ihr einst – noch suchend sind.
Sie wachsen mit dem, was für’s Reych sie tun
Und zeigen bald, was frische Kraft vermag.
Euch Alten fehlt der Mut zum frohen Kampfe
Den sie im Überfluss zu eigen haben.
Nur, auch die Jüngren scheinen manchmal träge.
Sie lassen alles Spiel und Tun den Alten
Und keiner will die schönen Ämbter haben
Und sich an glücklichem Gelingen laben.

Auch euer Kleid scheint mir nicht rittergleich
Statt Blech seh‘ ich nur weiche, bunte Stoffe
Und Kragen weiß und sauber ziert die Hälse,
Worunter matt ein bunter Bändel bammelt.
Wo ist das Brusttuch eurer hohen Frawe
Tragt deren Tuch um euren Hals geschlungen.
Und werdet ihr die Minne dann noch singen
Wird euer Rittertum zumindest fast gelingen.

Auch, wie ich hör, pflegt ihr Musik und Klang.
Heißt Spielleut gern in euerer Burg willkommen.
Wie in den Burgen guter, alter Zeit.
In denen Harfe und der Leier Spielen
Vor den Kaminen für die Frauen klang.
Macht weiter so, Musik alleine macht
Dass Jugend Knapp‘ und Junker werden mag,
Um sich dem edlen Rittertum zu weihen.
Doch schaut, dass auch ein Laie mit euch lebt,
Dass ihr ihm Platz auf eueren Bühnen gebt.

(Ein Bote kommt mit einer Nachricht))
Doch ich bin müde nun vom vielen Reden.
Seht, diese Nachricht ist mir grad gegeben:
Dass meine öde Bleibe nicht mehr leer.
Dass eure Styxin, also sagt die Kunde,
Sich plötzlich aufgemacht in meine Welt.
Der Müh‘, des Ärgers gänzlich nun entsagend,
Die lange Zeiten sie mit euch gehabt.
So gehe ich gern in meine Gruft nun wieder
Die euer Goldstück mir, weiß es, gemütlich macht.
Treibt weiter euer Spiel, auch wenn ich’s nicht verstehe
Wenn ich euch trotzdem gerne bei mir sehe.
Lebt wohl, ich wünsche euch auch weiter Glück
Als Gäste kommt im nächsten Jahr zurück!
Dann schaut der Ahnherr wieder bei euch rein
Sein Gleiberg wird auf’s neu euch Festburg sein.