gegen Zyklops (323 An der Sieg) zum 1.

Man spricht deutsch

Thema: Ohne Grund der Hägar schnell, fordert Zyklops zum Duell.

Schlaraffen, Freunde, Sassen: Hört mich an!
Beklagen will ich Zyklops Verse, nicht ihn schmähen!
Was einer Übles dichtet, kränkt nicht ihn
Doch bringt es manchen wackren Mann in Rage.
So war's auch diesmal. Der gute Zyklops
Sagt euch, dass Hägar ihn voll Streitlust fordert.
Ja, wär' es so, dann wär's ein schwer Vergehn
Und Hägar büsste schwer dafür mit Grund.
Doch, wie ihr wisst, liebt er die Ruhe sehr,
Und Zyklops auch, wie einen Bruder fast.
Was also war's, das seinen Zorn erregte
So dass er aufsprang und zum Handschuh griff?

Grundlos, ihr Freunde? Grundlos sollt er fordern?
Es ist die Sprache, die er hier verteidigt!
Ihr wisst, wie Hägar doch die Dichtung liebt.
Er, der sein Gärtlein wonnevoll bestellt,
Sich Ordnung, Symmetrie und Schönheit schaffend
Und dort, im Kleinsten auch sich selber findend.
Er, dem ein lyrisches Organ zu Eigen;
Der tausend Verse macht und alle prüfet
Bis einer ihm genügt. Nur der allein,
Darf dann hinaus aus seinem edlen Mund,
Um jeden Mann im Uhuversum zu erfreuen.

Der Hägar muss auf Zyklops Verse treffen,
Die so von ganz besondrer Art und Güte -
Dass, wär'n sie Wege, er sie geben könnte
Zu seinem Nutz und Frommen an Mercedes
Als Prüf- und Stolperstrecke hohen Grades,
Die so die armen Wagen beuteln würde
Und sie auf Herz und Nieren heftig prüfte,
Dass alle Mängel jäh das Licht des Tages blickten,
Herausgeschüttelt aus geplagten Innereien,
Dass nur die besten dieses überstünden.

Doch Zyklops ist ein ehrenwerter Mann.
Das ist er sicher, redlich und bescheiden.
An seiner guten Absicht zweifle ich auch nicht -
Alleine am Talent. Hier liegt's im Argen.
Der Unsinn nicht, den er gesagt, erzürnte Hägar,
Der schlechte Reim, der war’s, der ihn ergrimmte!
Zumal in diesen hehren Hallen Ob der Dills,
Der hohen Schul, wo wahre Dichter wohnten.
Hier, wo Magister Lorsbach einmal lehrte -
Auf jener Kanzel dort, die heut Schlaraffias Thron -
Wo dessen heller Stern am Firmament erglühte,
Bevor ein früher Tod sein Leuchten endet.

Wie weinte Goethe, als die Zeitung kam,
Die seines Freundes Scheiden ihm verkündet.
Wie trauert Hägar, dass von Lorsbachs Worten
So wen'ge nur verblieben sind bis heute.
Und dass statt dessen platte Reime nur,
Wie die von Zyklops, ganz den Tag beherrschen.

Ich will euch Beispiel geben.
Schreibt Hägar:
Triffst du die Freunde in der Sippungsstunde,
Wo sich das Herz den Herzen zugesellt:
Ist stets das Glück dabei in solcher Runde,
Sind Frohsinn und Humor mit uns im Bunde.
Denn Freundschaft bleibt, wenn alles andre fällt!

dann dichtet Zyklops aus vergleichbarem Anlass:
Ich sass mit dem Freund am Tisch.
Er dort, und hier ich.

Ein anderes Beispiel. Hägar:
Als hätt' Lukull uns selbst zu Tisch gebeten,
Ergötzte uns der Speise edle Fülle.
Wir standen wie berauscht in großer Stille,
Um später andachtsvoll an sie heranzutreten.

Das klingt das bei Zyklops so:
Es war wieder einmal zum Grunzen:
Es gab Würste, Kraut und Blunsen.

Ihr lieben, guten Freunde, muss euch nicht
Hinreißen zu des Aufruhrs wildem Sturm.
Der solche Verse macht, ist ehrenwert.
Ja, Zyklops ist ein ehrenwerter Mann,
Das ist er sicher, redlich und bescheiden.
Was für Beschwerden ihn persönlich plagten,
Warum er also schrieb? Ich weiß es nicht.
Doch ist er weiß und ehrenwert und wird
Euch sicherlich mit Gründen Rede stehn.
Nur halte ich sein Manuskript in Händen,
In dem er unsre liebe Muttersprache metzelt.
Ich ahne es, an einem kalten Winterabend,
Fror er den ganzen Tag in seiner Burg
Und schrieb. Hier seht ihr, fuhr die Feder hin
Verstümmelnd Jamben, auf den Versfuss tretend,
Gewalt den Strophen tuend, sie entmannend.
Und hier stach Zyklops, der geliebte, hin,
Als er den so verfluchten Stift ansetzte.
Ihr ahnt, wie da des Hägars Herzblut stockte,
Als er das hört', misstrauend seinen Ohren,
Ob's wirklich Zyklops, der so elend reimte.

Denn Zyklops, wie ihr wisst, war Hägars Engel -
Ihr Götter urteilt, wie ihn Hägar liebte!
Kein Vers von allen schmerzte so wie seiner.
Denn als der edle Hägar Zyklops hörte,
Verhüllte er sein Haupt, vor Kummer weinend
Und wusste keinen Weg als ihn zu fordern,
Den Schänder unsrer edlen deutschen Sprache.

Nicht euer Herz zu stehlen komm ich, Freunde:
Ich trete voller Trauer vor euch hin.
Ich bin kein Redner, wie es Zyklops ist,
Nur, wie ihr alle wisst ein schlichter Ritter,
Dem Freund ergeben. und das wusstet ihr
Gar wohl, die mir gestattet, hier zu reden.
Ich habe weder Absicht noch die Worte,
Noch Würd', noch Vortrag, noch die Macht der Rede,
Der Sassen Blut zu reizen. Nein, ich spreche
Nur geradezu und sag euch, was ihr wisst.
Ich zeig euch der geliebten Sprache Wunden,
Des Zyklops arme Reime, heiße sie,
Statt meiner reden. Aber wär ich Zyklops
Und Zyklops Hägar! Und hätte dieser
Des Hägars Herz, sein Formgefühl und seine Sprache,
Und wäre nicht der Narr, der Federkratzer,
Der keinen Reim beherrscht. Dann gäb' es einen,
Der eure Geister schürt und jedem Verse
Des Hägars Zunge lieh. Die selbst die Steine
Hier, in Ob der Dill, zum Aufstand würd' empören.
Doch schweig ich nun, bedrückt von allem Leide.
Zieh mich zurück zur Stille der Gedanken
In meine Seele, wo die blauen Blumen blüh’n,
Auf grünen Matten, an dem Fuß der Berge,
Wo ich in reiner Luft zu wandeln pflege,
Und mir die Sträuße schönster Phantasien binde.
Beklagt sei Zyklops, den ich doch so liebte
Und der so ehrenwert und so voll edlen Strebens,
Wie voll des Unvermögens!
Doch ich ahne,
Er schreibt nur das, was ihn im Innersten bewegt.
Und plötzlich fasst mich der Erkenntnis Grauen:
Des Zyklops Innenleben ist - Verdauen.