Ritter Zyklops – im profanen Beruf Fotograf – hatte ein Bild von Hägar gemacht,
das er ihm bei der nächsten Begegnung im Reyche Ob der Dill überreichte
mit den Worten: "Schöner als die Wirklichkeit".
Das Bildnis ist bezaubernd schön?
Thema: Das Bildnis ist bezaubernd schön – kann man denn so weit gehen?
I.
Was war des Zyklops Rede doch so grässlich,
Und, wie ihn alle kennen, klein und hässlich.
Kann er denn nicht nach Hägars Sanftmut eifern,
Statt derart lärmend hier herumzugeifern?
Von Schönheit war in seinen Worten nichts zu spüren
Drum lasst euch nun von mir zu dieser führen!
II.
Uns wäre längst der Mut und auch die Lust verflogen
Im Lebenskampf ums morgen und ums heute,
Verlören uns in alltagsgrauen Wogen -
Wenn nicht die Schönheit uns den Sinn erfreute.
Denn manches Schöne bietet diese Welt
Dem, der die Augen suchend offen hält:
Schön ist die Rose, die der Tau befeuchtet.
Schön ist das Würmchen, das im Dunkeln leuchtet.
Schön ist die Sonne, die den Tag erhellt,
Schön ist der Recke, der im Kampfe fällt.
Schön ist Uhu, der unsre Sinne hebt.
Schön schwitzt der Sasse, der nach Ämbtern strebt.
Schön ist die Jungfrau, die zum Manne geht.
Schön ist der Hägar, wie er vor euch steht!
Tja, Freunde...
Wenn längst verfallen unsrer Burgen Mauern,
Und Uhus Reych nur noch Erinn'rungs-Staunen -
Wird in der Sage eines überdauern:
Wird man von Hägars Schönheit leise raunen.
Es war, so wird man singen, einst ein Held,
Bei dem sich Mut mit Geist und Lust ergänzte.
Doch in den Schatten wurden sie gestellt,
Wenn seine edle Schönheit strahlend glänze.
Man weiß noch, dass ein Barde einst verkündet,
Dass er durch Hägars Anblick nur erblindet.
Seht diesen Recken heute vor Euch steh'n,
Und fragt euch einmal selbst: Ist er nicht schön?
…und dann kommt so einer wie Zyklops daher…
III.
Ja, Zyklops, dieser üble Wicht,
Der scheut sich doch wahrhaftig nicht,
Mich heimlich zu fotografieren,
Um dann die frechen Sprüchen führen:
Dass eines Bildes Nichtigkeit,
Sei schöner als die Wirklichkeit.
Nein! Kann man Glanz in solchen Massen
In einem Bild zusammenfassen?
Ich sage euch: Es ist unmöglich.
Und wer's versucht, der scheitert kläglich!
Denn Schönheit ist das volle Leben.
Und diesem ist sie nur gegeben,
Mit allem, wo die Sinne wohnen,
In allen seinen Dimensionen.
Und diese Dimensionen sprengen
Den Rahmen eines Bilds, den engen.
Ein Bild ist halt, das ist fatal,
Nur einfach zweidimensional.
Ein Bild zeigt nur die Oberfläche,
Das hübsche Äußere, das Fesche.
Ein Abdruck ist's, ein ganz entfernter -
Zyklops ist jung, ich hoff', das lernt er.
Dem Bild fehlt halt des Lebens Fülle,
Das Lärmen so wie auch die Stille,
Die unsrer Wirklichkeit zu eigen.
Kann drum nur müden Abglanz zeigen.
Dem Bilde fehlt die Harmonie,
Die unsrem Sehnen Flügel lieh.
Ihm fehlt fast ganz all jene Pracht,
Mit der euch Hägar glücklich macht:
Als ob ein Bild der Sonne wärmte,
Als ob gemalter Löwe lärmte,
Als ob das Bild des Hundes bisse,
Gemaltes Schwert sich schwingen ließe.
Wie anders ist es, als im Bild,
Wenn Hägar selbst den Raum erfüllt!
Denn dann spricht dieser Rittersmann
Der Sassen Sinne alle an.
Kaum ist er da, riecht schon ein jeder,
Den herben Duft von Schweiß und Leder.
Man hört die raue Stimme schallen
(Ganz wohlig wird's den Sassen allen).
Man spürt des Recken Hand bewegt,
Wenn er auf eine Schulter schlägt.
Man liest in Hägars edlen Zügen
Von seines Geistes Höhenflügen,
Und Furcht beschleicht den, der da feige:
Ob Hägar ihm den Handschuh zeige?
Es ist, als ob ein Licht, ganz milde
Ganz plötzlich diesen Saal erfüllte.
Und an des Leuchtens Ausgangspunkt
Sitz Hägar, der in Schönheit prunkt.
Man sieht die füllige Gestalt.
Die Rüstung gibt den Ganzen Halt.
Die Ordensfülle an der Brust,
Die Augen voller Kampfeslust.
Die Brauen – Stimmungsbarometer.
Am Helm steckt eine Krähenfeder!
Die Stirne, ganz von Geist zerfurcht,
Die Lippen, trocken oft von Durscht,
Die Nase, schön von Wein gerötet,
Blutrot das Schwert, weil's Feinde tötet:
So sieht man diesen Recken steh'n
Da sagt nun selbst: Ist er nicht schön?
…und dann kommt ein Zyklops und sagt: Nicht so schön wie auf dem Bild...
IV.
Gern geb' ich zu, dass edle Wut mich packte,
Als Zyklops frech mir solchen Tort bereitet.
Und dass sogleich der wilde Zorn, der nackte,
Mich damals zu des Handschuhs Wurf verleitet.
Doch ging's nach mir, ich hätt' ihm längst vergeben -
Wenn mich auch nicht grad' mit ihm versöhnt.
Doch muss ich wegen euch nach Strafe streben:
Er hat Schlaraffia insgesamt verhöhnt!
Denn Hägars Schönheit ist ja nicht sein eigen!
Sie ist ein Stück in unsres Spieles Reigen.
Ging es nach mir, ich hört ihm lächelnd zu.
Allein, er lästert damit den Uhu!
Und deshalb trifft ihn jetzt auch schlimme Pön
Durch Hägars Schwert. Und sagt, schlägt der nicht schön?
V.
Und zeigt ein Bild die Schönheit denn im Kleinen,
Ist es dasselbe mit der Hässlichkeit.
Im Bild mag alles noch erträglich scheinen,
Die Wirklichkeit hält anderes bereit.
Zyklops kennt sich - das Schicksal war ihm milde -
Bisher ganz offensichtlich nur im Bilde.
Drum sag ich ihm, 's ist leider unerlässlich,
Wie er in Wahrheit ist: entsetzlich hässlich.
Dann nimmt er vor Entsetzen gleich den Strick
Und Hägars Schönheit gilt sein letzter Blick.

